Gelähmter Angeklagter im Spitalsbett wegen Mordversuchs vor Gericht: Er erhielt sieben Jahre Haft

Zu einem höchst außergewöhnlichen Prozess kam es am Donnerstag am Landesgericht Salzburg. Ein wegen versuchten Mordes angeklagter 41-jähriger Deutscher lag in einem Krankenbett vor einem Geschworenensenat. Er bekam letztlich sieben Jahre Haft, weil er laut Wahrspruch der Laienrichter im November 2021 in der Stadt Salzburg einen Arzt erstechen wollte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Konkret soll der Angeklagte am 26. November 2021 auf dem Parkdeck des Uniklinikums Salzburg dem besagten Arzt aufgelauert haben, um ihn aus Eifersucht mit einem Messer zu töten. Als statt des Mediziners die Polizei erschien, stürzte sich der 41-jährige Angeklagte knapp 13 Meter in die Tiefe. Seither ist er querschnittgelähmt.

Der bisher unbescholtene Krankenhausangestellte wurde vor Prozessbeginn unter Polizeischutz von Rettungssanitätern in einer Transportliege in den Verhandlungssaal des Landesgerichts Salzburg gerollt und anschließend in ein Spitalsbett umgebettet.

Der Mann ist am späten Donnerstagnachmittag von einem Geschworenengericht mit 8:0 Stimmen für schuldig erkannt worden. Aufgrund der Anwendung außerordentlicher Strafmilderung bekam der 41-Jährige sieben Jahre unbedingte Haft. Grundsätzlich beträgt der Strafrahmen für (versuchten) Mord nämlich zehn bis zwanzig Jahre Haft oder lebenslang. Dem Arzt (Opferanwalt: RA Stefan Rieder) wurden überdies 1000 Euro Entschädigung zugesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Denn sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft haben drei Tage Bedenkzeit genommen.

Tante las den Abschiedsbrief
Das Motiv des Angeklagten soll Eifersucht gewesen sein. Vier Tage vor seinem Sturz aus dem vierten Stock des Parkhauses soll er erfahren haben, dass der Arzt, der damals wie er selbst im Uniklinikum arbeitete, ein Verhältnis mit seiner Ehefrau hatte. Am 26. November übergab der Beschuldigte noch seiner Tante eine Metallkassette, in der sich ein Abschiedsbrief befand.

Laut Staatsanwalt Leon-Atris Karisch kündigte er darin an, dass er seinen eigenen Bruder und den Arzt töten und sich dann selbst das Leben nehmen wolle. Er gab der Tante die Anweisung, die Metallkassette nach seinem Tod dem Nachlassgericht weiterzuleiten. Doch die Frau hielt sich nicht daran. Sie las das Schreiben und alarmierte die Polizei in Deutschland, die sogleich die Kollegen in Salzburg informierte.

Als er die Polizei sah, sprang er in die Tiefe
Für die Fahndungsmaßnahmen wurde über Handypeilung der Aufenthaltsort des Verdächtigen ermittelt. Als die Beamten am Parkdeck des Uniklinikums eintrafen, sprang der 41-Jährige, "ohne zu zögern, in die Tiefe und prallte auf dem Asphalt auf", wie der Staatsanwalt schilderte. Er erlitt zahlreiche Knochenbrüche. Nur wenige Minuten später lag er im Schockraum des Spitals. Seither ist er vom Becken abwärts gelähmt. Zuletzt wurde er in einer Sonderkrankenanstalt in Niederösterreich betreut, die eine Außenstelle der Justizanstalt Wien-Josefstadt ist.

"Ein Küchenmesser und drei Wurfmesser"
Der Staatsanwalt zeigte sich überzeugt davon, dass der Beschuldigte die Tat angekündigt und vorbereitet hatte und auch ausführen wollte. Er habe dem Arzt nach dessen Dienstschluss auf dem Parkdeck auflauern und ihn töten wollen. "Die Polizei konnte ihn vor der unmittelbaren Tatausführung stellen. Er trug ein Küchenmesser und drei Wurfmesser bei sich." Im Kofferraum seines Wagens habe man auch noch ein Schwert gefunden.

"Er hat sich immer alles gefallen lassen"
Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter erläuterte, dass der Mann in Belastungssituationen, bei Wut und Verzweiflung ein destruktives Verhalten zeige. Sie beschrieb den damaligen Zustand des Angeklagten als depressiv, er war aber zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig. Bei der Begutachtung habe sich kein Hinweis auf eine psychische Erkrankung ergeben. Er sei in seiner Familie, zum Beispiel bezüglich der Erbschaft, aber auch in seiner Arbeit benachteiligt worden. "Er hat sich immer alles gefallen lassen und hatte das Gefühl, er konnte sich nicht wehren."

"Er war in einem Zustand tiefster Verzweiflung"
Verteidiger Christoph Mandl sprach von einer "unfassbaren Tragödie". Sein Mandant werde sich nicht schuldig bekennen. "Das ist kein Mörder, der vor ihnen liegt", sagte der Rechtsanwalt zu den Geschworenen. Der Mann sei damals in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen, "in einem Zustand tiefster Verzweiflung". Er habe vier Tage vor dem 26. November ein ihm bisher nicht bekanntes, zweites Handy seiner Frau gefunden. Die darin enthaltenen Chats, Fotos und Videos ließen auf ein außereheliches Verhältnis seiner Frau schließen.

Dass der Beschuldigte die Messer in Anwesenheit seiner Frau demonstrativ mitgenommen und das Deko-Schwert mit einer Flexmaschine bearbeitet habe, habe er deshalb getan, damit sie mitbekomme, "wie schlecht es ihm gegangen ist", erklärte der Verteidiger. "Er hätte sich eine Entschuldigung gewünscht."

"Hier wird mit zweierlei Maß gemessen"
Der Angeklagte habe auch Fehler gemacht, und es tue ihm leid, sagte der Rechtsanwalt. Wenn man eine Tat ankündigt, bedeute das aber noch lange nicht, diese auch umzusetzen. Das Opfer sei auch nie in der Nähe des Beschuldigten gewesen. Der Verteidiger gab zudem zu bedenken, dass der Mann nicht wegen Mordversuchs an seinem Bruder angeklagt wurde, diese angekündigte Tat also von den Behörden nicht ernst genommen worden sei. "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen."

Sie müssen ihm beide Beine amputieren
Der Abschiedsbrief sei für den Mann nur ein Weg gewesen, sich von seiner Verzweiflung frei zu schreiben, meinte der Verteidiger. Im Zweifel sei er jedenfalls freizusprechen. "Er ist durch seine schweren Verletzungen ohnehin sein restliches Leben lang gestraft." Der Anwalt sagte, dass dem Angeklagten noch beide Beine amputiert werden müssen.

Der Beschuldigte selbst erklärte, er habe damals nicht vorgehabt, irgendjemanden zu töten. Er stellte auch eine Suizidabsicht in Abrede. Warum er damals mehrere Messer bei sich trug, konnte er der Vorsitzenden Richterin Gabriele Glatz heute nicht erklären. "Meine Idee war damals, auszuwandern, wegzugehen. Ich wusste nicht, ob ich wiederkomme."

"Rache ist kein gutes Instrument"
Deshalb habe er auch mit Angehörigen über den Nachlass für seine zwei Kinder gesprochen. In Abschiedsbriefen an diese schrieb er über sich von einem "selbstzerstörerischen Gemütszustand", dass er in die Geschichte als Psychopath eingehen werde und "Rache kein gutes Instrument ist", zitierte die Richterin aus dem Akt.

Der Verhandlung wohnte auch eine Diplomkrankenpflegerin zur Betreuung des Mannes bei. Einem Gutachten zufolge ist er zwei Mal 90 Minuten verhandlungsfähig, dazwischen sei eine 45-minütige Pause einzulegen. Gegen 12.30 Uhr gab der 41-Jährige der Vorsitzenden dann seine Zustimmung, dass weiterverhandelt werden könne.

...

Zurück

© 2024 Mag. Christoph Mandl
created by